Rheuma-Spezialist Ausserwinkler: „Mangelnde Planung schafft Patientenleid und enorme Kosten“

Klagenfurt (pts023/20.05.2016/12:10) – „Es ist höchst an der Zeit“, fordert Prof. Dr. Michael Ausserwinkler, Facharzt für Innere Medizin mit Spezialgebiet Rheuma-Erkrankungen, in Villach bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der heuer in Velden stattfindenden Jahrestagung der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), „dass wir die Behandlungsstrukturen für Patienten mit rheumatischen Schmerzen deutlich verbessern. In der derzeitigen Situation schaffen wir es nicht, die Leiden unserer Patienten und Patientinnen ausreichend zu versorgen. Zudem verursachen wir über die gravierenden Folgekosten enorme volkswirtschaftliche Schäden.“

Gelenkschmerzen zählen zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden überhaupt. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung über 50 Jahren leidet darunter. Und es werden immer mehr: In den letzten Jahrzehnten beobachten Ärzte weltweit eine kontinuierliche Zunahme der Häufigkeit von Gelenks- und Wirbelsäulenproblemen.

Die Ursachen liegen auf der Hand: Steigende Lebenserwartung und ein zunehmend bewegungsarmer Lebensstil führen zu einer immer stärkeren Belastung von immer weniger trainierten Gelenken. Vor Kurzem hat sich zudem herausgestellt, dass Übergewicht nicht nur zu vermehrter mechanischer Belastung führt, sondern auch die Bildung entzündungsfördernder Stoffe, sogenannter Adipokine, begünstigt, die den Abbau der Knorpelsubstanz weiter beschleunigen.

Weite Verbreitung von Arthrose und Arthritis

Daraus resultierende Arthrosen sind inzwischen die häufigste Form von Gelenkerkrankungen. Ursachen sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im gelenksnahen Knochengewebe, die zu einer Aufrauhung und schließlich zum vollkommenen Verlust des Knorpels führen können. Laut der Gesundheitsbefragung 2014 der Statistik Austria sind insgesamt acht Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen davon betroffen.

Dazu kommen zwischen 40.000 und 80.000 Österreicherinnen und Österreicher, die an einer Gelenkserkrankung mit autoimmuner Ursache leiden. Die primär chronische Polyarthritis (rheumatoide Arthritis oder Polyarthritis rheumatica) ist eine unterschiedlich fortschreitend verlaufende, entzündliche und mit zunehmender Gelenkzerstörung einhergehende Erkrankung, die vor allem Hand- und Fingergelenke, aber auch Knie- oder Ellenbogengelenke, Zehengrund- oder Schultergelenke betrifft.

Das hat vielfältige negative Auswirkungen: Denn Schmerzen im Bewegungsapparat sind nicht nur für Betroffene eine Bürde, die zu Bewegungseinschränkungen, sozialer Isolation, finanziellen Einbußen und Arbeitslosigkeit führen können, sondern richten auch volkswirtschaftlich großen Schaden an. Umso mehr, als viele dieser Leiden viel zu lange unbehandelt bleiben. „Rheumatische Schmerzen“, weiß Internist Prof. Dr. Ausserwinkler, „werden leider immer noch viel zu spät richtig gedeutet und einer adäquaten Behandlung zugeführt.“

Die Folgen sind kostenintensive Odysseen durch das Gesundheitssystem. „Dabei vergeht nicht nur wertvolle Zeit, in der die Gelenkszerstörung nicht behandelt wird und fortschreitet“, weiß ÖSG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Ausserwinkler. „In vielen Fällen besteht auch die Gefahr, dass sich die Schmerzen chronifizieren und dadurch noch weiteres Leid und noch höhere Kosten verursacht werden.“

So haben Untersuchungen gezeigt, dass 41 Prozent der Patienten, bei denen letztlich eine Arthrose diagnostiziert wurde, zumindest schon ein Jahr unter Gelenksschmerzen litten. Das ist aber nur ein Durchschnittswert: „In meiner Praxis sehe ich noch weit schlimmere Fälle“, so der Rheumatologe Prof. Dr. Ausserwinkler. „Es kommt nicht selten vor, dass jemand sieben Jahre ohne angemessene Behandlung seiner Schmerzen herumlaufen musste.“

Die Gründe dafür ortet der frühere Gesundheitsminister (1991 bis 1994) in den unzureichenden Versorgungsstrukturen. „Es gibt eklatant zu wenige Rheumatologen und erst recht zu wenige, die einen Kassenvertrag haben“, so Prof. Dr. Ausserwinkler. „Dabei brauchen wir dringend mehr Schmerzmediziner – und die Rheumatologen sind unter den Internisten diejenigen, die eindeutig am meisten mit der Schmerzbehandlung zu tun haben.“

Selbst in Regionen, in denen genügend internistische Fachärzte zur Verfügung stehen, ist bei Weitem nicht sichergestellt, dass darunter auch genügend Rheuma-Spezialisten sind. Die Strukturpläne der Krankenkassen nehmen keine Rücksicht auf die Verteilung der einzelnen Zusatzfächer. „So kann es passieren“, kritisiert Prof. Dr. Ausserwinkler, „dass es in einer Region zwar 40 Internisten gibt, aber davon 20 Kardiologen und 20 Gastroenterologen sind. Wir brauchen hier dringend eine langfristige Planung, die sicherstellt, dass jede Zusatzfach-Disziplin gleichmäßig vertreten ist.“

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