Wien (pts026/16.02.2017/12:00) – „Der Migrationsdruck steigt weiter, der big shift von Afrika nach Europa steht noch bevor“ , bekräftigte Claus Reitan, Journalist und Buchautor am Mittwoch bei einer vom Club Tirol (CT) veranstalteten Podiumsdiskussion im Looshaus in Wien. Weltweit gibt es 250 Millionen Migranten, davon 150 Millionen Arbeitsmigranten und 65 Millionen Flüchtlinge.
„Ein Ende der Migration ist nicht abzusehen. Augen zu und Kopf in den Sand stecken wird nicht funktionieren. Eine andere Strategie als die reine Abschottung ist aus meiner persönlichen Sicht angebracht“, fordert Peter Gridling, Direktor für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung im Bundesministerium für Inneres, von Europas Politikern.
Seine größte Sorge im Inland ist die große Gruppe junger Männer, die in unserer Mitte warten und möglicherweise radikalisiert werden. „Es ist wichtig anzuschauen, wer bei uns lebt und dass uns mit den jungen Männern aus Afghanistan nicht das passiert, was uns in Vergangenheit mit den Tschetschenen passiert ist, die zwischen 2002 und 2007 nach Österreich kamen und mangels Perspektiven schlecht integriert sind.“
3000 unbegleitete Jugendliche
Das ist Wasser auf den Mühlen der ehemaligen Familienministerin von Sonja Stiegelbauer (früher Moser) aus dem Publikum. 3000 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge leben derzeit in Österreich in Heimen und Flüchtlingsunterkünften. Sie bräuchten dringend familiäre Betreuung und Anbindung.
Auch für Gerald Dreveny, stellvertretender Leiter für Asyl, Migration und Fremdenwesen im BMI wäre es ein Trugschluß zu glauben, dass sich der Migrationsdruck verringert. „Die Leute migrieren über die Kontinente hinweg.“ In Österreich habe ein Umdenkprozess eingesetzt. „Erst in den letzten Monaten hat man erkannt, dass Migration uns alle betrifft, mit Staus an den Grenzen, gesperrten Autobahnen, in den Schulen, am Arbeitsmarkt.“ Europa könne mehr tun, aber nicht alle Probleme lösen. Eine Generallösung gebe es nicht, man müsse das Problem mit kleinen Schritten an der Wurzel packen.
Khol: Man hat Mikl-Leitner nicht geglaubt
Warum hat Europa so versagt, warum wurde der massive Andrang im September 2015 nicht vorhergesehen, lautet eine Frage aus dem Publikum. Dazu kann „elder stateman“ Andreas Khol Authentisches beitragen: „Am 14. Dezember 2014 hat die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigt, dass im nächsten Jahr eine Million Flüchtlinge zu uns kommen werden. Ich war bei dieser Ministerratsvorbesprechung selber dabei.“ Aber, so Khol in aller Klarheit: „Es hat ihr niemand geglaubt.“ Die Ministerin habe damals keine Unterstützung gefunden, bestätigt Gridling, „nicht einmal in der eigenen Partei“.
Und wo waren damals die Medien, wirft Reitan einen selbstkritischen Blick auf seine Branche. Dass die Massenflucht von Schleppern organisiert und vorbereitet war, wäre eigentlich nicht zu übersehen gewesen.
In seinem neuen Buch „Die neuen Völkerwanderungen“ (Edition Steinbauer), für das er zwei Jahre recherchiert hat, deckt Reitan einen weiteren Missstand auf: Die Rückflüsse von Migranten in ihre Heimat machen schätzungsweise 470 Milliarden Dollar aus und sind deutlich höher als die Mittel für Entwicklungshilfe. „Die Gebühren fürs Überweisen liegen bei 20 bis 25 Prozent. Das ist unakzeptabel hoch – bei allem Verständnis dafür, dass eine Überweisung nach Afrika schwierig sein kann.“
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