Wenn Medikamente nicht mehr helfen: Invasive Verfahren zur Schmerzbekämpfung erfolgreich

Wien/Innsbruck/Zell am See (pts025/11.05.2017/11:50) – „Schmerz ist immer ein komplexes Geschehen“, sagt Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner, Oberarzt an der Universitätsklinik für Neurochirurgie in Innsbruck und Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG). „Von Geburtsschmerzen angefangen, wo der Schmerz aus einer unangenehmen physischen und einer positiven psychischen Wahrnehmung besteht, bis hin zum rein destruktiven Schmerz einer Gewaltverletzung müssen Schmerzmediziner alles abdecken.“

ÖSG-Jahrestagung: Strukturkritik und Methodenvielfalt

Entsprechend vielfältig ist das Programm der 25. Jahrestagung der ÖSG, die vom 11. bis zum 13. Mai in Zell am See abgehalten wird. Während führende Schmerzexperten auf der einen Seite die unhaltbaren Versorgungsdefizite in Sachen Schmerzmedizin kritisieren – etwa dass für drei Viertel der rund 1,5 Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen keine schmerzambulante Versorgung zur Verfügung steht – stellen sie auf der anderen Seite eine stets breiter werdende Palette medizinischer Interventionsmöglichkeiten vor. Das reicht von nichtmedikamentösen Ansätzen wie der Musiktherapie bis hin zu hochkomplexen Behandlungsregimen für besonders problematische Patientengruppen wie etwa drogenabhängige Patienten.

Invasive Techniken zur Schmerzbehandlung werden immer präziser

Breiten Raum nehmen auch invasive Techniken ein, die dann zum Einsatz kommen, wenn im multimodalen Therapiekonzept mit Medikamenten und konservativen Methoden wie physikalischer Medizin nicht das Auslangen gefunden werden kann. „Schwere pharmakoresistente Schmerzsyndrome konnten über weite Strecken der Vergangenheit nur mittels destruktiver und läsioneller Verfahren behandelt werden. Heute versuchen wir statt so schwerwiegender Eingriffe bestimmte Bereiche des Nervensystems so zu aktivieren, dass es zu einer Blockierung der Schmerzweiterleitung kommt“, erklärt der Präsident der ÖSG-Jahrestagung 2017, Prof. Eisner. So gilt auch die früher praktizierte Durchtrennung schmerzleitender Bahnen heute nicht mehr als State of the Art: „Diese Unterbrechungsoperationen bargen immer die Gefahr, schwere Schmerzzustände mit der Zeit zu verschlimmern. Heutzutage beeinflussen wir diese schmerzleitenden Bahnen zum Gehirn mit der Neuromodulation“.

Epidurale Rückenmarkstimulation: Stromimpulse können Schmerzen überdecken

Dabei werden den Patienten dünne Elektroden in den Rückenmarkskanal gelegt und mit einem unter die Haut implantierten Minigenerator verbunden. In Betrieb genommen, sendet das etwa scheckkartengroße Gerät elektrische Impulse an die sensiblen Nerven im Inneren der Wirbelsäule, von wo aus die veränderten Schmerzsignale weiter an das Gehirn übertragen werden. Für die Patienten ist das als leichtes „Kribbeln“ wahrnehmbar, das – je nach Elektrodenlage – in die Arme oder Beine ausstrahlt und den quälenden Schmerz „überdeckt“.

„Die epidurale Rückenmarkstimulation (SCS) stellt ein seit Jahrzehnten etabliertes minimal-invasives Verfahren dar, das sich bei nicht onkologischen, chronischen, medikamentös nicht beherrschbaren Schmerzen wie Neuropathien, ausstrahlenden Schmerzen nach Bandscheibenoperationen, Unfällen mit Nervenschäden an Armen oder Beinen oder gegen die berüchtigten Phantomschmerzen nach Amputationen bewährt hat“, berichtet Univ.-Prof. Eisner. „Und es gibt laufend weitere technische Verbesserungen, die diese Verfahren noch wirksamer und verträglicher machen.“

Mittlerweile kommen die extrazerebralen neuromodulativen Verfahren auf verschiedenen Stimulationsebenen zur Anwendung: Neben dem Rückenmark (Spinal Cord Stimulation, SCS) werden auch Nervenwurzeln (Nerve Root Stimulation, NRS), Ganglion (Dorsal Root Ganglion Stimulation, DRGS), periphere Nerven, Ganglion trigeminale (Peripheral Ganglion Stimulation, PNS) und subkutane Strukturen (subcutaneous Stimulation, Sc.S, TENS) auf ähnliche Weise stimuliert.

SCS: Hohe Sicherheit und hoher Patientenkomfort

Der große Vorteil: „Das Verfahren ist reversibel und weitgehend schmerzfrei“, betont Prof. Eisner. In Abhängigkeit vom verwendeten Elektrodentyp wird der operative Eingriff meist minimal invasiv in Lokalanästhesie durchgeführt. Die Implantation des Impulsgebers erfolgt erst nach einer mehrtägigen Probephase, wenn tatsächlich eine deutliche Schmerzreduktion beobachtbar ist. Auch dann noch kann der Stimulator vom Arzt oder Patienten jederzeit telemetrisch bedient und angepasst werden.

„Die Risiken der SCS sind als gering einzustufen, Nebenwirkungen treten dabei sehr selten auf“, so Prof. Eisner. Durch technische Weiterentwicklungen wie die Hochfrequenzstimulation, die kein Kribbeln mehr verursacht oder integrierte Beschleunigungssensoren zur automatischen Anpassung der Impulsstärke bei Positionswechsel des Patienten, MRT-kompatible Systeme sowie Wireless Devices, konnte der Patientenkomfort und damit die Lebensqualität der Betroffenen weiter verbessert werden.

Schmerzbehandlung mit Skalpell nur noch letzte Option

Seit den 1980er Jahren gewinnen auch sogenannte intrazerebrale Verfahren wie die tiefe Hirnstimulation (DBS-Deep Brain Stimulation) an Bedeutung. Beim konservativ nicht behandelbaren nozizeptiven und neuropathischen Schmerz waren die Ergebnisse dieser Methode jedoch lange Zeit nicht so vielversprechend wie in der Behandlung von Bewegungsstörungen, etwa bei Parkinson.

„In den letzten Jahren hat sich das aber geändert“, so Prof. Eisner. „Wichtig ist festzuhalten, dass die läsionellen Verfahren der Nachkriegszeit durch eine chronische elektrische Einflussnahme neuronaler Funktionen ersetzt werden konnte. Aufgrund ihrer Invasivität stellen neurochirurgische Verfahren prinzipiell die letzte Stufe jeglicher Schmerztherapie dar.“

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