Erste Hilfe für die Seele

Linz (pts024/09.10.2017/13:55) – Obwohl psychische Erkrankungen weit verbreitet sind, gelten sie noch immer vielfach als tabu. Aus Angst, Uninformiertheit und falsch verstandener Scham versuchen Betroffene ihre Leiden zu verstecken statt professionelle Hilfe zu suchen. Mit der neuen Broschüre „Erste Hilfe für die Seele“ bietet pro mente Austria zum Internationalen Tag der seelischen Gesundheit 2017 Rat und Hilfe bei seelischen Krisen. Die Broschüre mit praktischen Tipps, Checklisten und wichtige Krisen-Telefonnummern aus allen Bundesländern soll dabei helfen sollen, Anzeichen einer gefährlichen Entwicklung frühzeitig zu erkennen und darauf richtig zu reagieren. Sie kann online bestellt werden unter http://www.promenteaustria.at.

Linz, Montag, 9. Oktober 2017 – Psychische Krankheiten werden immer noch tabuisiert und stigmatisiert. Zu diesem ernüchternden Befund kommt Prof. Univ.-Doz. Dr. Werner Schöny, Präsident des Dachverbandes der Vereine für psychische und soziale Gesundheit, pro mente Austria: „Obwohl ein Drittel der Gesellschaft mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen hat, schämen sich die Betroffenen und haben Angst, öffentlich darüber zu sprechen. Sozialer Rückzug und Vereinsamung sind haufig die Folge“, fasst Prof. Schöny die Erfahrungen aus der Betreuung von rund 80.000 Betroffenen pro Jahr zusammen. Dass das nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Gesellschaft belastend ist, zeigt unter anderem der Blick auf die ansteigenden Frühpensionierungen auf Grund psychischer Krankheiten und die zunehmenden Krankenstände.

Neue Broschüre als Orientierungshilfe in schwierigen Situationen Anlässlich des bevorstehenden Internationalen Tages der seelischen Gesundheit 2017 (10. Oktober) plädiert Prof. Schöny dafür, sich bei psychischen Leiden nicht anders zu verhalten als bei jeder anderen Krankheit auch. „Niemand wird zögern, einen Arzt zu rufen, wenn jemand an Herzrhythmus-Störungen leidet. Genauso sollte rasche und professionelle Hilfe immer das oberste Gebot sein, wenn seelische Krisen auftreten.“ Um Betroffenen und ihren Angehörigen diesen Schritt zu erleichtern, legt pro mente Austria zum Internationalen Tag der seelischen Gesundheit eine neue Broschüre mit dem Titel „Erste Hilfe für die Seele – Rat und Hilfe bei psychischen Problemen“ vor. „Präventive Maßnahmen sind für die psychische Gesundheit besonders wichtig“, so Prof. Schöny. „Unser niedrigschwelliges Informationsangebot soll helfen, sich bei psychischen Problemen zu orientieren und mehr Klarheit in die eigene Psyche bringen.“ Die Broschüre kann online bestellt werden unter www.promenteaustria.at.

Neben der Beschreibung unterschiedlicher psychischer Störungen und Krankheit finden sich in der Broschüre auch Checklisten, wichtige Krisen-Telefonnummern aus allen Bundesländern die Laien dabei helfen sollen, Anzeichen einer gefährlichen Entwicklung frühzeitig zu erkennen und richtig darauf zu reagieren.

Psychische Leiden nehmen weiter zu Der Bedarf für solche Hilfestellungen ist leider steigend. „Psychische Krankheiten sind in Österreich mittlerweile nicht nur für ein Viertel der gesamten Krankheitslast verantwortlich, sie nehmen auch weiter zu“, so Prof. Schöny. Insgesamt ist Studien zufolge heute bereits jeder Dritte einmal pro Jahr zumindest von einer psychischen Störung betroffen. In den WHO-Berechnungen zur Krankheitslast rangierte die Depression 2015 bereits auf dem ersten Platz. Ebenfalls dramatische Zuwächse verzeichnen die Experten bei Suchterkrankungen, allen voran der Alkoholsucht. Zahlen des Instituts für Suchtprävention zufolge sind in Österreich bereits fünf Prozent der 15 bis 99jährigen – das sind rund 435.000 Menschen – von alkoholischen Getränken abhängig. Dazu kommen weitere zwölf Prozent, deren Trinkverhalten zumindest ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt.

Prof. Schöny: „Dass psychische Leiden weiterhin zunehmen werden, ist zum einen auf die steigende Lebenserwartung und die damit verbundene Zunahme an Demenzerkrankungen zurückzuführen, zum anderen auf den härter werdenden Wettbewerb am Arbeitsmarkt und zunehmende Zukunftsängste.“

Versorgungsstrukturen werden steigendem Bedarf nicht gerecht Demgegenüber stehen Versorgungsstrukturen, die dem steigenden Bedarf schon seit Jahren nicht mehr gerecht werden. Bei der Zahl der Psychiatrie-Betten liegt Österreich im europäischen Vergleich am unteren Ende der Skala. Mit 14,6 Psychiatern pro 100.000 Einwohner stehen bei uns auch deutlich weniger Fachärztinnen und Fachärzte zur Verfügung als im OECD-Durchschnitt. Die logische Konsequenz: Rund 70 Prozent aller psychiatrischen Diagnosen und Verordnungen werden hierzulande nicht von Fachärzten, sondern von Allgemeinmedizinern gestellt. Für die Behandlung beim Facharzt müssen die Betroffenen lange Wartezeiten in Kauf nehmen, was nicht nur das Leid prolongiert, sondern auch das Risiko der Chronifizierung erhöht.

Die beste „Erste Hilfe“ ist Zuhören Depressionen sind das mit Abstand am weitesten verbreitete psychische Leiden. In den europäischen WHO-Staaten erkrankt heute bereits einer von 15 Menschen pro Jahr an einer schweren Depression. Angststörungen und leichtere Depressionsformen eingerechnet, sind es vier von 15. Für das Umfeld der Betroffenen ist es dabei nicht immer leicht, eine bloße psychische Verstimmung von einer ernsthaften Krankheit zu unterscheiden. „Die erste Regel muss immer lauten: Hinsehen statt wegschauen“, sagt Prof. Schöny. „In einer akuten Krise ist es wichtig, den davon betroffenen Menschen nicht alleine zu lassen.“

Besser als die Probleme gleich zu relativieren und vorschnelle Lösungen anzubieten, ist es zunächst einmal zuzuhören – oder gemeinsam zu schweigen. Schwieriger ist es, wenn sich Krisen schleichend über einen längeren Zeitraum entwickeln. Belastungen wie Konflikte in der Familie oder finanzielle Sorgen können allmählich zu einer Überforderung führen und beim geringsten Auslöser in einer ernsthaften Krise kumulieren. „Im schlimmsten Fall kann das zu einer Selbsttötungsabsicht führen“, erklärt Prof. Schöny. „Dann muss immer sofort und ohne weitere Diskussionen professionelle Hilfe organisierte werden.“

Seelische Krankheiten können aber auch gänzlich ohne äußerliche Einflüsse auftreten. „Bei Depressionen sind Veränderungen des Hirnstoffwechsels eine häufige Ursache. Sie ist eine häufige Erkrankung, die heute aber gut behandelbar ist“, erklärt Dr. Günter Klug, Vizepräsident von pro mente Austria, warum gut gemeinte Ratschläge wie „reiß dich zusammen“ ins Leere laufen müssen. „Eine Depression kann tödliche Folgen haben“, warnt er. „Das frühe Erkennen und rasche ärztliche Behandeln können daher nicht nur Leid ersparen sondern Leben retten.“

Dreimal mehr Suizid-Opfer als im Straßenverkehr Neben Depressionen können aber auch eine Suchterkrankung oder traumatische Erlebnisse das Suizid-Risiko erhöhen. Die erschreckende Gesamtbilanz:. In Österreich gibt es dreimal so viele Suizidopfer wie Verkehrstote. Gefährdete zu erkennen, ist für Laien nicht immer leicht. „Ein wichtiges Indiz ist immer, wenn neben der Niedergeschlagenheit ein Verlust der Lebensperspektive erkennbar ist“, erklärt Dr. Klug. „Suizidgefährdete Menschen sagen zum Beispiel ‚Ich möchte, dass alles aufhört!‘ oder ‚Ich schaffe das nicht mehr!’“ In acht von zehn Fällen, kündigen die Betroffenen ihr Vorhaben aber ohnehin mehr oder weniger offen an. „Das ist immer ein Hilferuf, der ernst genommen werden muss“, warnt Dr. Klug und räumt dabei gleich mit mehreren weit verbreiteten hochriskanten Klischees auf. „Die Annahme, dass jemand, der von Selbsttötung spricht, es ohnehin nicht tut, ist ebenso falsch wie die Vorstellung, dass man jemanden, der so etwas vorhat, ohnehin nicht aufhalten kann.“

Neben der kompromisslosen Entscheidung, professionelle Hilfe beizuziehen, ist größtmögliche Offenheit die beste Art damit umzugehen. „Wer sagt, ‚ich habe das Gefühl, du willst dir etwas antun‘, braucht keine Angst zu haben, dass er jemanden damit in den Suizid treibt. Ganz im Gegenteil: Für die Gefährdeten ist es immer entlastend, mit jemandem über die quälenden Suizidgedanken reden zu können.“

Hilfreiche Checklisten aus der pro mente-Broschüre „Erste Hilfe für die Seele“

Anzeichen einer seelischen Krise

* Angst, Trauer und Wut * Ausbrüche von Verzweiflung * Antriebslosigkeit und Desinteresse * sozialer Rückzug und Isolation * In-sich-gekehrt-Sein: Menschen gehen nicht mehr auf andere Personen ein, wirken desinteressiert, ruhig und vielleicht verschroben * gereiztes, aggressives Verhalten und unerklärliche Verhaltensweisen Gedanken, die nicht nachempfunden werden können * Gefühle, die fremd oder verkehrt wirken

Die Erste-Hilfe-Regeln bei seelischen Krisen

* hinsehen statt wegschauen * auf einen Menschen in einer Krise zugehen * sich Zeit nehmen * zuhören oder gemeinsam schweigen * Geduld haben * den Betroffenen in seiner Situation und Stimmung annehmen * sich in den anderen so gut wie möglich einfühlen * eigene Meinungen und Werthaltungen zurückstecken * sparsam sein mit gut gemeinten Ratschlagen * rechtzeitig und ohne Diskussion professionelle Hilfe holen

Vier Fragen zum Erkennen einer Alkohol-Abhängigkeit

* Haben Sie sich schon manchmal gedacht, Sie sollten Ihr Trinken reduzieren? * Werden Sie wütend oder gereizt, wenn Sie jemand auf Ihr Alkoholtrinken anspricht? * Fühlen Sie sich schuldig oder als Versager, wenn Sie daran denken, wie oft Sie mit Alkohol übermäßig umgehen? * Ist es Ihnen schon passiert, dass Sie am Morgen nach einem Trinkereignis Alkoholisches getrunken haben und sich anschließend besonders gut und aufgeweckt gefühlt haben?

Sind zwei Fragen mit „ja“ zu beantworten, können Sie davon ausgehen, dass eine Abhängigkeit besteht.

Kontakt: Portraitaufnahmen von Prof. Schöny und Dr. Klug sowie den Cover der Broschüre „Erste Hilfe für die Seele“ gibt es hier: https://goo.gl/AYFrZA Allgemeine Anfragen zu pro mente Austria: Mag. Sandra Grünberger, Bundessekretariat pro mente Austria; Johann-Konrad-Vogel-Strasse 13, 4020 Linz; office@promenteaustria.at, (0732) 785397 Aktuelle Presseanfragen: Mag. Roland Bettschart; B&K Kommunikationsberatung; Liechtensteinstrasse 46a/1/2, 1090 Wien; bettschart@bkkommunikation.com, (01) 3194378; 06766356775

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